Wenn Taxifahrer flirten wollen

Dank diverser Handy Apps wie Uber, Cabify, Beat und Co. ist Taxifahren in Lima eine sichere und bequeme Art der Fortbewegung. Hoppalas können dennoch passieren. Von Flirtversuchen der Fahrer bis über die Eingabe der falschen Heimatadresse in den App-Einstellungen.

Egal ob auf der Straße, im Restaurant, beim Einkaufen oder eben im Taxi: in Peru bin ich Gringa. Als blonde Frau von 1,70 Körpergröße und schlanker als die hiesigen Latinas falle ich auf. Das ist in der Hauptstadt Lima mit einer ziemlich hohen Kriminalität nicht unbedingt von Vorteil. Das bedeutet nicht, dass ich übervorsichtig und angsterfüllt bin sondern, auf Schritt und Tritt achtsam zu sein. Dafür gibt es mittlerweile auch ein breites Angebot an Taxi-Services, die eine ziemlich sichere Art der Fortbewegung ermöglichen und mich rascher als Mikrobusse von A nach B bringen – so gut das bei dem verrückten Verkehrsaufkommen eben geht. Über eine App, die erkennt, wo ich mich gerade befinde, geb ich mein Ziel ein. Per SMS bekomme ich den Namen des Fahrers und das Autokennzeichen. Die Fahrt kann mittels Link nachverfolgt werden.

Bis die Apps installiert sind und alles eingerichtet ist, muss ich erstmal diverse Daten inklusive Kreditkarteninformation eingeben. Das hat den Vorteil, dass ich nicht mal Bargeld mitnehmen muss. Alles wird automatisch abgebucht. Die Rechnungen kommen per E-Mail.

Das andere zu Hause – Wenn es denselben Straßennamen mehrmals gibt

So weit so gut. Jetzt gibt es in Lima von einem Straßennamen mehrere – in den unterschiedlichen Stadtteilen. Das sollte man beim Festlegen der Heimatadresse und beim Eingeben der Destination beachten. Ich weiß das natürlich nicht und klicke bei meiner ersten Taxifahrt nach Hause auf die erste Möglichkeit. Der Fahrer holt mich Abends in dem gepflegten Stadtteil San Isidro ab. Wir fahren los. Die Straßen werden enger, die Lichter weniger. Die Gegend kenne ich nicht. Viele Leute sind auf der Straße. Es herrscht eine eigenartige Stimmung.

Ich wundere mich, dass der Fahrer diesen Weg wählt. Es wird immer schummriger. Schließlich fragt er, ob er eh hier rechts in diese dunkle Gasse abbiegen soll. „Nein! Wo sind wir?!“ „In Callao. La Perla.“ Das ist eine der gefährlichsten Gegenden im Großraum Lima. Angeblich traut sich hier nicht mal die Polizei rein. „Ich muss nach Pueblo Libre. Weg hier.“ Der Fahrer zögert nicht lang und dreht um. Auch er ist sichtlich erleichtert, dass er wieder umkehren kann. Wir fahren fürs erste in die ungefähre Richtung. Stehenbleiben um am Navi die korrekte Adresse einzugeben möchte er lieber nicht. Das soll mir völllig recht sein. Nichts wie weg! Nach etwa zehn Minuten sind wir beide ruhiger. Genau in dem Augenblick, als ich draufgekommen bin, wo wir sind, hat mich meine Schwiegermutter am Handy angerufen. „Margit! Du bist in La Perla. Das ist die falsche Adresse.“ Die Nachverfolgung der Fahrt funktioniert also. Wenig später ereiche ich das richtige Zu Hause und vervollständige die Daten in der App. Ab dem Zeitpunkt funkioniert sie einwandfrei. Ich benutze abwechselnd CABIFY und BEAT, je nach Tageszeit und Verkehrsaufkommen, und bin mit beiden zufrieden, wobei die Fahrer von CABIFY meist Autos im besseren Zustand haben.

Erklär mir die Welt

Die meisten Fahrer stellen keine Fragen. Etwa jeder Dritte aber doch. Das läuft dann etwa so ab:

„Señorita, woher kommen Sie?“

„Austria“

„Aja. Welche Sprache spricht man da?“

„Deutsch.“

„Sie sprechen aber sehr gut spanisch.“

Ich bedanke mich und lächle.

„Austria und Australien. Das sind zwei verschiedene Länder?“

Seufz. „Ja.“

„Aja. Liegen sie nah beinander?“

Ich erkläre. Zum x-ten Mal. Je öfter ich über die Jahre diesen für mich so banalen Zustand erkläre, umso dankbarer werde ich. Für die Bildung, die ich genossen habe. Wobei ich nicht nach der genauen Lage mancher Länder dieser Welt gefragt werden möchte! Das ist zugegebenermaßen nicht gerade mein Fachgebiet. War ich früher genervt von den immer gleichen Fragen, beantworte ich sie jetzt geduldiger. Ich finde es toll, dass Menschen wie dieser Taxifahrer neugierig sind und nachfragen.

„Das sind alles entwickelte Länder oder?“

Vor ein paar Jahren hätte ich versucht, eine Grundsatzdiskussion zu führen. Was bedeutet entwickelt? Entfernen wir uns mit der sogenannten Entwicklung nicht von unseren Wurzel, verlieren jegliche Form von gesundem Menschenverstand, Anstand und Mitgefühl?

Heute nicke ich. Ich weiß ja, was er meint. Technisch fortgeschritten usw. Und damit hat er recht. Dazu kommen unendlich viele Privilegien, die ich mehr und mehr zu schätzen weiß. Denn sie sind ein Geschenk. Zu diesem Geschenk gehört Verantwortung. Da ist zuhören und zum x-ten Mal ein Gespräch über immer dasselbe Thema führen das Mindeste, das ich tun kann.

Neugierige Bricheros – Wenn Fragen zur Belästigung werden

Heute geht der Fahrer eindeutig zu weit mit seinen Fragen. Zunächst fragt er einfach viel. Welche Sprache wir sprechen.

„Deutsch muss schwer sein zu lernen oder? Sicher so schwer wie chinesisch.“

„Naja, immerhin sind die Buchstaben die gleichen.“

„Achso, naja. Aber trotzdem.“

Warum ich in Peru bin. Wieviele Kinder ich habe. Ob mein Mann aus Peru kommt. „Ah, da hat er einen Jackpot gelandet.“ Der Fahrer grinst und blickt mich durch den Rückspiegel an.

BRICHEROS werden die Männer genannt, die versuchen, sich eine ausländische Frau zu angeln. Der Begriff steht nicht im offiziellen Wörterbuch, heute aber allgemein verständlich. Er ist angelehnt an das englische „Bridge“.

Fragen seien ja in Ordnung, erkläre ich ihm, aber nicht zu viele. Er ist dann einige Zeit ruhig. Kurz vor dem Aussteigen geht es wieder los. Ob ich hier wohne. Wo ich arbeite. Genervt antworte ich ihm nicht mehr sondern zeige ihm, wo er anhalten soll. In dem Augenblick kommt auch noch mein Lebensgefährte, seine Mutter mit dem Kinderwagen und Wutzi drin um die Ecke, gefolgt vom Hausmädchen mit meinem kleinen Sonnenschein in der Trage. Ich verabschiede mich – obwohl genervt trotzdem höflich.

Und dann der Gipfel: „Oh, haben Sie schöne Augen.“ Jetzt reicht’s mir. Auf das spanische Gesäusel des peruanischen Taxifahrers schlage ich die Autotür zu und schimpfe auf Deutsch vor mich hin. Hier hört dann auch meine Höflichkeit auf. Es geht in meine Intimsphäre. Kulturelle Unterschiede hin oder her – irgendwo ist Schluss. Mein Missfallen darüber auszudrücken ist ebenso Teil der Verantwortung – Teil meiner Eigenverantwortung. Der Typ bekommt auch eine schlechte Benotung von mir mit Begründung zu persönlicher Fragen. Ob’s was bringt weiß ich nicht. Ich nutze die Apps trotzdem weiter und bin zufrieden damit.

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