Väterkarenz

Luxus oder selbstverständlich? Ein Erfahrungsbericht aus unserem ersten Monat.

Vor gerade Mal zwei Wochen hat Papa übernommen. Der Zeitpunkt ist perfekt: Baby ist 10 Monate alt und es ist Sommer. Papa und Baby können viel draußen sein. Ich genieße es in vollen Zügen, Zeit für meine Arbeit zu haben. Dabei sei gesagt: ich arbeite derzeit nur freiberuflich und zwar ca. 20 Stunden. Finanziell geht es sich irgendwie aus, da noch ein bisschen Geld auf der Seite liegt. Meine Arbeit teile ich mir so ein, wie es FÜR UNSER FAMILIENMITEINANDER gut ist. Nicht mehr, nicht weniger. Darin unterscheidet sich wahrscheinlich die Realität vieler anderer Familien, wenn es Zeit ist für den Vater, in Karenz zu gehen, und die Mama wieder arbeitet. Aber wir haben es uns so gerichtet und es ist eine Wohltat FÜR ALLE BETEILIGTEN.

„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“, heißt es. Warum wird es dann in unserer Gesellschaft als „normal“ angesehen, dass die Mutter schätzungsweise mindestens 80 Prozent der Verantwortung – vor allem zeitlich – trägt? Die Möglichkeiten, Familie und Beruf miteinander in einem gesunden Maß zu vereinbaren sind für Mütter wie für Väter in Österreich (und vermutlich auch in Deutschland), weniger als suboptimal. Aber es ist halt normal, und so ziehen die meisten mit – völlig überfordert und in den Wahnsinn getrieben.

Ich habe mich von Anfang an geweigert, bei diesem irren Gesellschaftsspiel mitzuspielen. Ich möchte ein System finden, dass mir als Mutter guttut, dem Papa in seiner Vaterrolle und dem Baby in seinem Kindsein, in dem es sich mit vertrauten Personen in Geborgenheit entwickeln kann. Die größte Herausforderung sind dabei meine eigenen Emotionen und die Gedankenspiele. Die Frage, was ich mir als Mutter erlauben darf, ob ich nicht mehr da sein sollte, kommt immer wieder. Dabei sei angemerkt: ich stille noch; Baby schläft im Gitterbett ein und übersiedelt ins Familienbett. Er ist immer wieder im Tragetuch und bekommt viel Körperkontakt. Er lacht viel. Weint. Krabbelt. Richtet sich auf. Brabbelt vor sich hin. Tanzt sogar (Salsa am liebsten). Kurzum: Baby gedeiht prächtig! Und trotzdem kommt da manchmal dieses blöde Gefühl auf, dass ich vielleicht doch noch mehr für ihn da sein könnte.

Über die Sommermonate konzentriere ich mich (trotzdem) auf meine freiberufliche Arbeit. Der erste Schritt bestand darin, mir eine Alternative zum Home Office zu suchen. Neben dem entzückendsten Baby meiner Arbeit nachzugehen, das schien mir unmöglich. Da kann die Wohnung oder das Haus nicht groß genug sein. Jetzt sitze ich in einem Co-Working-Networking Space und fühle mich energiegeladen, inspiriert, ja auch ein bisschen hip. Meine Kreativität hat gerade Höhenflüge. Bis zu fünf Stunden am Tag bin ich hier, während Papa einkaufen geht, Windeln wechselt, spazierengeht, kocht… eben in Karenz ist. Und er genießt es. Ein „Problem“ mit der Freiberuflichkeit ist die freie Einteilung. Wenn gerade keine Kundentermine wahrzunehmen oder Abgabefristen einzuhalten sind, geht es „nur“ um meine Recherchen, Aquise, um das Schreiben… kurz: um Selbstdisziplin. Ich lerne endlich, mich nicht mehr dafür zu rechtfertigen – weder vor anderen noch vor mir selbst – dass ich auch viel arbeiten muss, wenn ich gerade kein Geld verdiene. Dazu musste ich erst Mutter werden.

Jeden Sonntag Abend, wenn Baby eingeschlafen ist, setzen wir uns mit unseren Kalendern an den Tisch und besprechen die bevorstehende Woche durch. Wir legen meine Arbeitszeiten fest, planen unsere jeweiligen sportlichen Aktivitäten ein, und setzen familien-organisatorische Prioritäten. Die Stunden dazwischen sind ganz normaler Familien-Alltag, der aber dann kein Wahnsinn ist sondern einfach Alltag, mal mehr, mal weniger harmonisch.

Wir haben uns auf diese Zeit gut vorbereitet. Bereits als Baby wenige Wochen alt war, habe ich immer wieder Mal ein Stündchen bekommen, um etwas zu schreiben und sogar nach vier Monaten eine Projekteinreichung abgegeben. Es ist unglaublich, wie effizient ich geworden bin durch die Geburt des kleinen Mannes! Was ich früher mühselig in einer Woche geschafft habe geht nun innerhalb weniger Stunden.
Aus den einzelnen Stunden für meine Arbeit wurden zwei Stunden, mal für eine Yoga-Stunde oder sogar ins Kino oder andere Kleinigkeiten. Ich durfte nach und nach wieder als Mensch Raum einnehmen. Das ist so unendlich wichtig. Nur dann kann ich mit Leib uns Seele wieder Mama sein und meinem Kind die Aufmerksamkeit und Liebe schenken, die nur von einem mit sich und dem Leben zufriedenen Erwachsenen kommen kann. In den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt konnte ich mir nicht vorstellen, dass die alte Margit noch wichtig ist. Doch sie machte sich schleichend immer mehr bemerkbar. Und ich hörte auf sie – zum Glück.

Meinen Bedürfnissen nachzugehen bedeutete, dass ich mir Unterstützung suchen musste; d.h. den Papa einfordern, einen halben Oma-Tag in der Woche einrichten und schließlich sogar einen Babysitter (die 20-jährige Tochter einer lieben Freundin) für ein paar Stunden wöchentlich einzusetzen. Letztere freilich erst nach 8 Monaten. Alles schrittweise. Doch das bedeutet, dass der Beginn der Vaterkarenz ganz ohne Drama und Tränen verlaufen kann. Harmonisch und erfüllend.

Ich bin meinem Freund sehr dankbar dafür, dass er gern Vater ist. Aber ich muss ihm dafür nicht die Füße küssen. Einerseits bin ich dankbar, andererseit ist es für mich selbstverständlich! Ich verstehe Arbeitgeber, für die es „unangenehm“ ist, dass Frauen Kinder bekommen und noch blöder, wenn die Väter ihr Recht auf Karenz geltend machen. Andererseits sieht man darin, wie krank unser System ist, wenn die natürlichste Sache der Welt, nämlich Kinder in die Welt zu setzen, zu einem Problemfall wird, für den die Politik halbseidene Lösungen präsentiert (wie den Papamonat ohne Kündigungsschutz) und die Sozialpartner stur Armdrücken. Ich betrachte unsere bestehenden Karenzmodelle als sehr einseitig. Positiv daran ist, dass sie uns die (finanzielle) Möglichkeit geben, Eltern zu sein, was in anderen Ländern, wo  Frauen nach 6 Wochen oder 3 Monaten wieder arbeiten gehen nicht einmal möglich ist. Aber sind sie mit der beruflichen Realität für manche nur schwer zu vereinbaren und reduzieren viele Mütter auf ihr Mamasein, was nicht alle Mamas erfüllt. Ganz ehrlich. So ist das nun einmal, auch wenn ich den kleinen Wutzibutz mehr liebe alles andere auf der Welt!

In unserem Fall bedeutet die Vaterkarenz, dass der Vater Zeit hat Vater zu sein – was mit einem Baby oder Kleinkind bei einem 40 Stunden Job einfach weniger leicht geht. Und dass die Mutter nicht auf ihre Mutterrolle beschränkt wird sondern sich als Mensch entfalten darf. Beides braucht es für eine gesunde Gesellschaft, für ein gesundes Miteinander. Papa ist nun viel entspannter, wenn Baby weint oder wenn es heißt, Windeln wechseln. Er ist DA, aufmerksam und liebevoll. Und er hat  mehr Zeit für seinen 10-jährigen, der gerade auch viel Papa braucht.

Während ich diese Zeilen schreiben, geht meine heutige Arbeitszeit dem Ende zu. Ich freue mich schon, wenn ich nachher die Wohnungstüre aufschließe, nach meinem Baby rufe, und er lachend auf mich zukrabbelt, damit ich ihn in die Arme nehme und knuddle!

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2 Kommentare

  1. Du schreibst mir so aus der Seele, liebe Margit!
    Auch bei mir werden die Zeiten, in denen ich in Ruhe die Admin oder auch Kreatives machen kann schon wöchentlich länger. Das gleicht aus und macht unheimlich happy, wenn man merkt, wie’s läuft und sich alles perfekt ergänzt!
    Und ich bin sooo viel zeiteffizienter, als ich jemals dachte sein zu können… 😂
    (Und mein Mann ist auch noch so viel lieber Papa, als ich mir hätte träumen lassen – dabei war ich mir schon immer sicher, dass er’s gern sein wird – herrlich!)
    Glg As

    1. Danke Astrid!
      Es tut einfach immer wieder gut von anderen Müttern die Bestätigung zu bekommen, dass es ihnen auch so geht und dass es so GUT ist!
      Alles Liebe und bis bald, Margit

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